Pressemitteilung · März 2024

Veranstaltungshinweis:
Dr. Karsten Schumann hält am 12. April 2024 um 17 – 19 Uhr im Gesundheitshaus i-Tüpferl den Vortrag Gesundheitsdialog: Bewegung und Gesundheit – ein notwendiges Team.
Kontakt und Anfahrt / Anmeldung: info@i-tuepferl.de, Schulstr. 18, 82297 Steindorf (mehr Informationen: www.i-tuepferl.de).

Format Gesundheitsdialog im Gesundhaus i-Tüpferl:

mit Gründerin Christine Bergmair

Das Gesundhaus i-Tüpferl ist ein modernes Praxishaus und vereint medizinische, therapeutische, pädagogische Behandlungsansätze. Es wird die Vision gelebt, traditionelle Heilkunde mit modernster Technik & innovativen Konzepten in Zusammenarbeit für eine umfassende Patientenbegleitung zu verbinden. Der Gesundheitsdialog ist eines von vielfältigen Veranstaltungsformaten rund um die Themen Gesundheit & Prävention, mit denen Menschen durch unterschiedliche Impulse befähigt werden sollen, sich mit der eigenen Gesundheit zu beschäftigen, sich und seiner Gesundheit Gutes zu tun und sich Kompetenzen anzueignen, aufgeklärt und eigenverantwortlich im Gesundheitssystem die Hilfe & Unterstützung zu erlangen, die notwendig ist und gebraucht wird. Der Gesundheitsdialog lädt regelmäßig Experten, Prominente und Spezialisten ein, die aus der Praxis und ihrem Bezug zur Gesundheit berichten und damit Interessierte inspirieren können. Nach dem Vortrag ist ein Austausch mit der Persönlichkeit möglich.

Gesundheit als Grundlage für ein gelingendes und erfülltes Leben (21.3.2024)
Interview mit dem Sportwissenschaftler Prof. Dr. Karsten Schumann

Blogspot
https://dralexandrahildebrandt.blogspot.com/2024/03/gesundheit-als-grundlage-fur-ein.html
Foto: Claus Uhlendorf Fotostudio München

Prof. Dr. Karsten Schumann, Jahrgang 1963, ist ausgebildeter Sportwissenschaftler beschäftigt sich seit über 30 Jahre mit sportlichen Spitzenleistungen. An der Seite von Matthias Sammer wirkte er zehn Jahre beim DFB und beim FCB auf höchstem leistungssportlichen Niveau mit. Seit 2017 ist er Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement. Er ist Personal Trainer mit Profiqualifikation und arbeitet außerdem als Autor, Redner, Gutachter und Mentor.

Herr Prof. Schumann, wie kann die Gesundheitskompetenz des Einzelnen gestärkt werden?

Da sehe ich drei wichtige Aufgaben und Möglichkeiten:
Erstens muss unsere Gesellschaft Gesundheit als ein wichtiges, vielleicht sogar als das wichtigste und bedeutendste Lebensziel verstehen. Gesundheit ist die Grundlage für ein gelingendes, erfülltes und aktives Leben. Es heißt doch im Volksmund nicht umsonst: Ohne Gesundheit ist alles nichts! Für jeden Menschen sollte sie das höchste persönliche Gut sein, was er über sein ganzes Leben auf einem guten und stabilen Niveau aktiv anstrebt. Diese Aufklärung muss ein wichtiger Bestandteil in unserer gesellschaftlichen Diskussion sein.
Zweitens sollten die komplexen, umfassenden und zusammenhängenden Aspekte der Gesundheit in den Blick genommen werden. Es geht um den ganzen Menschen in seiner individuellen körperlichen sowie geistigen Entwicklung mit den sozialen Einflüssen anderer Menschen im Verlauf eines Lebens. Dabei müssen die Vielfältigkeit, die aktuellen Erkenntnisse und auch die Unwissenheit des Lebens sowie des Einzelnen Menschen als auch einer Gesellschaft bis hin zur gesamten Menschheit betrachtet werden.
Drittens ist die Aufklärung des Phänomen Gesundheit und das eigene praktische Tätigwerden schon frühzeitig in die Bildung und Erziehung der jüngsten Generationen zu integrieren und aktiv zu beginnen.

Was meinen Sie damit?
Damit meine ich, dass körperliche und geistige Einflüsse bereits in der frühzeitigen Kinderbetreuung auch mit sozialen Kontakten beginnen muss. Und dann weitergeführt im Kindergarten bis zur Schule aktiv fortzusetzen sind, um so ein Fundament zu legen, dass möglichst jeder junge Mensch – was natürlich ein Wunschdenken ist – Gesundheit als eine Notwendigkeit erkennt und somit über sein gesamtes Leben diesen Aspekt eines gesunden Lebens seiner Möglichkeiten entsprechend angeht.

Fragestellungen rund um das Thema Gesundheit, Fitness und verwandte Themen gewinnen aufgrund aktueller Bedarfslagen sowie sozialpolitischer und –struktureller Entwicklungen immer mehr an Bedeutung. Was sind derzeit die wichtigsten Themenbereiche rund um Gesundheit, und welche Bedarfslagen oder Probleme sehen Sie derzeit auf den Gesundheitssektor zukommen, bzw. welche sind schon angekommen?
Zunächst einmal freue ich mich, dass die wachsende Bedeutung von Gesundheit durch die Quantifizierung als Megatrend sichtlich wird. Zugleich erschrecken mich aber aktuelle Zahlen, die anlässlich des „Welt-Adipositas-Tag“ am 4. März bekannt wurden: Weltweit gibt es mehr als eine Milliarde Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche, die übergewichtig sind – etwa jeder achte Mensch weltweit ist fettleibig! Das betrifft vor allem Menschen in armen Ländern mit schlechten Essen und hohen Gesundheitsrisiken.

 Und in Deutschland?
Ohne in Details zu gehen, zumal ich auch viele Jahre im Leistungssport tätig war, wo es gerade um Grenzbelastungen geht, hat sich in Deutschland ein starkes Verständnis für die Komplexität von Gesundheit entwickelt. Durch die Pandemie wurden insbesondere auch die mentalen Auswirkungen für die einzelnen Menschen und die Gesellschaft deutlich und zugleich auch das Bedürfnis zur Selbstwirksamkeit – die Gesundheit in die eigene Hand zu nehmen. Auch die Digitalisierung beeinflusst durch innovative Produkte vor allem auch die jüngeren Generationen. Als Ü-60iger sehe ich die Potenziale der Technologien zur Echtzeitüberwachung der Gesundheit dann doch kritischer. Kann mir die Technik sagen, wie ich mich fühle? Wie ich mich fühlen soll! Das muss ich doch selbst erfühlen!!!

Ich möchte jedoch gar nicht zu sehr auf diese aktuellen Trends eingehen, sondern darauf hinweisen, dass ich hinsichtlich von Gesundheit kein Vertreter von intensiven Spezialisierungen bin, sondern eher die gesamte Bandbreite der Gesundheit im Blick habe. Neben der wichtigen Bedeutung von Bewegung, wobei auch hier aus meiner Sicht teilweise Trends entstehen, die in eine Richtung sehr intensiv betrieben werden.

Was empfehlen Sie?
Grundsätzlich empfehle ich eine ausgewogene Aktivität hinsichtlich der physischen Komponenten Kraft und Ausdauer, wenn auch notwendig in der der Schnelligkeit, und dazu die Beweglichkeit und Koordination. Damit sind die wichtigsten Bewegungselemente beachtet. Dazu kommen weitere wichtige Punkte: hochwertige Ernährung und Zeitpunkte des Essens sowie eine gute und ausreichende Schlafqualität. Auch medizinische Vorsorgeleistungen sind in den regelmäßigen Abständen wichtig.
Es gilt für diese Bandbreite an Gesundheitsparametern einen ausgewogenen, verträglichen und machbaren Mix zu finden, der auch mit dem Alltag von Beruf, Familie, Freunden, kulturellen und andere geistigen Anregung sowie auch Muße – wie Ruhe, das Nichtstun, die Seele baumeln lassen – in einen gesunden Einklang zu bringen. Und das ist schwer genug!

Wie kann es gelingen, wieder auf den eigenen Körper zu hören und selbst zu entscheiden, was sinnvoll für uns ist? Welche Bedeutung spielt dabei Bewegung – vor allem im Freien?
Wenn man sich im Freien auf die Natur einlässt, die Natur auf sich wirken lässt, wird man spüren, dass auch der Mensch nur ein Teil der Natur ist. Die Natur ermöglicht uns einerseits das Leben und zeigt uns andererseits zugleich auch unsere Begrenzungen auf. Die Frage ist auch eine „Steilvorlage“ für eine geschichtliche Erinnerung.

Inwiefern?
Wir begehen in diesem Jahr den 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich (1774-1840). Der deutsche Maler, Grafiker und Zeichner gilt als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Romantik. Das Werksverzeichnis des Künstlers verweist auf einen Fleißarbeiter: So werden zum Beispiel die Zahl seiner Gemälde auf 300 geschätzt und im Werksverzeichnis werden über 1.000 Bilder nachgewiesen. Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert und zeigte sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik. Geprägt wird sie von einer Hinwendung zur Natur, der Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums. Caspar David Friedrich machte mit seinen Werken bei weitgehend unbekannten Bildhintergründen sinnoffene Angebote: Die Betrachtenden werden mit der angesprochenen Gefühlswelt in den Deutungsprozess einbezogen. Diese Sinnoffenheit führt zu einer Vielzahl von – auch unterschiedlichen – Interpretationen und eigenen Gefühlswelten.
Solche grundlegenden Gefühle können, wenn man sich auch bei der Bewegung im Freien auf die Umwelt einlässt, entstehen. Dann ist es ein prächtiger Baum, ein blühender Strauch, eine Blumenwiese, ein Wasserverlauf, ein Hügel oder ein besonderer Naturausblick, der die eigenen Gefühle anspricht, und der eigenen Bewegung eine Sinnhaftigkeit vermittelt. Nicht die Uhr mit den Angaben von der Strecke, der Geschwindigkeit oder der Herzfrequenz stehen im Mittelpunkt der eigenen Bewegungsaktivität, sondern das Erlebnis und das damit verbundene Gefühl. Und klar, trotzdem geht der Blick auf die Uhr, um das gute Gefühl durch die Belastungsparameter zu unterlegen – da kommt der Sportlerblick durch. Aber ist das nicht auch ein Gefühl?

Wie können gesunde Routinen wie regelmäßige Bewegung, Einhaltung einer Schlafhygiene und andere sinnvolle Regelmäßigkeiten im Alltag verankert werden?
Einfach gesagt: Indem Sie anfangen! Aber eben nicht gleich „groß und viel“, sondern in kleinen Schritten beginnen. Nicht der Umfang, sondern die Häufigkeit ist entscheidend! Die eigenen „Bewegungszeiten“ sollten so angepasst werden, dass diese im Alltag auch tatsächlich eingehalten werden können. Sie müssen Ausreden eliminieren! Fangen Sie an! Legen Sie an 3 bis 4 Tagen in der Woche mit 10 Minuten gehen, walken, laufen oder einem Kräftigungsprogramm los. Diese Zeit findet sich immer, und zwingen Sie sich das etwa 12. Wochen durchzuhalten. Dann haben Sie hohe Chancen, dass aus dieser Bewegungszeit eine Gewohnheit entstanden ist. Und wie gesagt: Weniger ist zunächst mehr! Sie müssen in die „Gänge kommen“!

Viele scheitern auf diesem Weg, weil der Bewegungsumfang zu hoch ist und nicht eingehalten werden kann…
Sie werden sehen, nach den 12 Wochen, wenn die Gewohnheit „gesiegt“ hat, werden Sie leicht die 10 Minuten verlängern können. Und vergessen Sie bitte nicht, sich zu belohnen! Entwickeln Sie ein „Belohnungsritual!“ Nach Ihrer Bewegungszeit gönnen und genießen Sie Ihre Belohnung! Ein besonderer Ausblick, eine kurze Auszeit auf einer Parkbank oder ein besonderes Duschbad. Belohnen Sie sich! Und Sie werden mit Zufriedenheit, Lebens- und Glücksgefühlen belohnt.

Welche Rolle spielen „Arbeitshygiene“ (Rhythmus von Pausen- und Arbeitsphasen etc.) und Schlaf?
Ganz klar und auch wissenschaftlich belegt ist: Dauerstress macht krank! Daher ist ein Rhythmus aus Anspannung und Entspannung, aus Arbeit und Pausen, aus Stress und Erholung notwendig. Übrigens ist das auch der Rhythmus des Lebens: Anspannung und Herzschlag im Wechsel mit Endspannung und Erholung! Eigentlich simpel, aber in unserer schnelllebigen Zeit, in der das „immer und sofort“ besteht, muss „performt“ werden. Aber ist das möglich, angespannt, unter Druck über Stunden am Limit und am besten noch darüber, gute Leistungen und besondere Ergebnisse abzuliefern?
Schauen wir in den Sport: Die schnellsten Sprinter der Welt legen die 100 Meter im Sprint unter 10 Sekunden und die besten Sprinterrinnen unter 11 Sekunden zurück. Was denken Sie: Wie oft machen die Sprinter und Sprinterinnen das am Tag? Bei den größten Wettkämpfen, den Olympischen Spielen und den Weltmeisterschaften, werden die Vorläufe, die Semifinale und Halbfinale sowie das Finale in der Regel nacheinander, in darauffolgenden Tagen absolviert. Also jeden Tag nur einen maximalen Sprint! In den Anfangsjahren der modernen Olympischen Spiele ab 1896 wurden Wettkämpfe im Ringen zeitlich nicht begrenzt. So mussten Kämpfe in der Dunkelheit unterbrochen und am nächsten Tag fortgesetzt werden, bis ein Sieger feststand. Das wurde jedoch schnell verändert, in dem technische Aktionen mit Punkten bewertet werden konnten, und somit in einem festgelegten Zeitlimit die Ringer bewertet werden können. Spitzensportler vollbringen also ihre Spitzenleistungen, je nach Charakter, zeitlich begrenzt, und in vielen Fällen auch mit Pausen unterbrochen.

Wie ist das bei Tagesleistung von „Kopfarbeitern“?
Von Schriftstellern ist bekannt, dass sie an einem Tag nur wenige Seiten schaffen. So schreibt einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart, Ferdinand von Schirach, jeden Tag immer eine Seite. Aus gesundheitlicher Sicht und Erkenntnissen zur Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf, sind bewusste Pausen von eintönigen und fordernden Arbeitstätigkeiten notwendig. So sollten einerseits die Arbeitstätigkeiten und Gesprächsthemen und ihre Intensität im Arbeitsverlauf nach Möglichkeit immer mal wieder wechseln. Und andererseits sind im Tagesverlauf auch immer wieder kurze, bewusste Pausen, das bewusste Verändern der Position und Haltung, das Wechseln in andere Räume oder auch ein Rückzug in eine ruhige Ecke, für eine kurze Entspannung nützlich. Bei möglichen längeren Pausen können leicht verdauliche Essen mit Spaziergängen oder bewusst als schön empfundene Ansichten verbunden werden. Nutzen sie die Pausen bewusst für Ablenkung von der Arbeitstätigkeit und werden Sie aktiv, indem Sie Ihren Körper bewegen.

Wie gehen Sie persönlich damit um?
Ich bin ein Freund des Kurzschlafes, des Powernap. Mit ein wenig Übung gelingt es tatsächlich in 10 bis 15 Minuten abzuschalten, Ruhe zu finden und Kraft für den 2. Teil des Tages zu finden. Leider gelingt das nicht jeden Tag …  

Wie sieht ein moderner Lebensstil aus, der auf Wohlbefinden, Lebensfreude und gute körperliche Verfassung setzt?
Auch dazu gibt es eine gute Studienlage und umfassende Erfahrungen. So werden regelmäßige körperliche Bewegung mit gesundheitlichem Nutzen in Verbindung gebracht. Und bestätigen kann ich auch, dass eine regelmäßige moderat-intensivene körperliche Aktivität mit einer mentalen Gesundheit in Verbindung gebracht wird. Damit sind zwei wichtige Bausteine gut abgedeckt. Die zunehmende Individualisierung weitet die Möglichkeiten für den Einzelnen aus und zugleich wird die Eigenverantwortung des Einzelnen für sein Leben größer. Daher sind stabile soziale Kontakte ein weiterer wichtiger Baustein.

Was empfehlen Sie?
Suchen Sie Trainingspartner, nehmen Sie zu kulturellen Veranstaltungen bewusst Freunde oder Bekannte mit, in deren Gegenwart sie sich wohlfühlen. Überraschen Sie ihre „Lieblingsmenschen“ mit kleinen Gesten, eine kurze gemeinsame Auszeit mit einem Kaffee oder Tee, mit einem interessanten Buch, über das sie sich austauschen oder einen Spaziergang, um in der Natur eine besondere Erscheinung gemeinsam zu bestaunen. So blüht gerade vor meinem Fenster eine Magnolie. Ein nur kurzes Glück wegen der sehr kurzen Zeit der Blüte. Gemeinsame Zeit stärkt Ihre soziale Seite für das umfassende, moderne Lebensgefühl – besonders auch mit den Lebenspartnern. Bereichernd für das soziale Wohlbefinden ist auch der generationsübergreifende Austausch. Aus dem beruflichen Umgang mit den jüngeren Generationen kann ich erleben, dass es eine große Wissbegier und auch Hinterfragung gibt. Die Perspektive ist stärker auf dem Jetzt und der näheren Zukunft gerichtet. Das Wohlbefinden, das Ausleben von schönen Erlebnissen und der Lebensfreude hat eine höhere Bedeutung gewonnen.
Wichtig ist mir an dieser Stelle auch, meine Erfahrungen mit den jüngeren Generationen zu teilen. In allen Generationen gab es unterschiedliche Perspektiven. Und Bildung war und ist ein wichtiger Schlüssel für ein gelingendes Leben. Ich erlebe immer wieder hochmotivierte, fleißige und lernende junge Menschen. Jede Generation hat auch unterschiedliche Perspektiven. In allen Generationen gab es auch Spitzenkräfte, die auf ihren Gebieten Weltspitzenleistungen vollbrachten. Das erfordert Fleiß, Wissen und Können, Zeit und meist völlige Hingabe an die Sache. Da ich immer öfter höre, die jungen Generationen können oder wollen so etwas nicht mehr, ist es mir wichtig festzuhalten: ES GIBT SIE AUCH IN JUNGEN GENERATIONEN!!! Wir müssen Ihnen aber auch helfen, sie unterstützen und bestärken, sie fördern und fordern. So wie es auch wir erlebt haben. Und um den Bogen zur Ausgangsfrage zu schlagen: Wer Erfolg hat, ist modern!

Weshalb gehört das Nachdenken über gesunde und nachhaltige Ernährung auch fest in die soziale Kompetenz jedes Einzelnen?
Der wissenschaftliche Fortschritt hat in den letzten Jahren auch insbesondere das Gebiet der Ernährung und deren Bedeutung für die Gesundheit sowie die Zusammenhänge mit der Leistungsfähigkeit stärker in das Bewusstsein der Menschen gerückt. Damit einhergehend interessieren sich viel mehr Menschen auch unter Nachhaltigkeitsaspekten für die Nährstoffe, die wir unserem Körper zuführen. Mir ist an dieser Stelle wichtig, auf die Komplexität unseres Stoffwechsels hinzuweisen. So spielen bei der Ernährung neben der Zuführung und Zusammensetzung der verschiedenen Nährstoffgruppen zum Beispiel auch das Alter des Menschen eine Rolle. So können im Alter oder durch Erkrankungen Funktionsverluste entstehen, die dazu führen können, dass unser Körper eingeschränkt oder nicht mehr mit den zugeführten Nährstoffen umgehen kann.
Viele Kenntnisse zur Ernährung basieren auch auf Wahrscheinlichkeiten. So könnten Bakterien in unserem Darm bestimmen, ob uns Bewegung Freude macht und wir uns zum Sport aufraffen können. Die Indizien für eine solche Darm-Hirn-Verbindung wurde bei Mäusen entdeckt. Die Erklärung zur Neigung zum Dicksein könnte mit bisher etwa 400 bekannten Gene zu tun haben. Aber auch Erkrankungen oder sozialer Status können ursächlich sein.
Spannend finde ich auch, wie in unserer Gesellschaft die Notwendigkeit gesunder Ernährung in der praktischen Umsetzung tatsächlich aussieht. Auf die Frage, was in Sachen Essen wichtig ist, antwortet die Hälfte der Befragten, dass es schnell und einfach zubereitet ist. So verwundert nicht, dass der Anteil der Deutschen, die regelmäßig gefrorene Fertiglebensmittel wie Pizza kaufen, gut 50 Prozent sind.

Ihr Fazit?
Diese Aussagen zeigen, dass wir weiterhin für gesunde und nachhaltige Ernährung aufklären müssen. Ein kurzer Versuch: Für unsere Ernährung sind fünf Nährstoffe entscheidend: Proteine, Kohlenhydrate und Fett als die Makronährstoffe sowie Natrium und Kalzium als Mikronährstoffe. Die Aufnahme dieser Nährstoffe steuert unseren Appetit. Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide enthalten viele Ballaststoffe und sättigen daher schnell und gut. Mit frischen Zutaten kann man so auf den eigenen Appetit vertrauen. Und was passiert bei der Ernährung mit Fertiglebensmitteln? In denen mangelt es an Protein und Ballaststoffen. Unser angeborener Heißhunger auf Eiweiß animiert uns so lange zu essen, bis wir die angemessene Proteindosis aufgenommen haben. Bei der hochverarbeiteten Nahrung wie der Tiefkühlpizza, nehmen wir zu viel Fett und zu viele Kohlenhydrate auf.

Was kann jeder Einzelne von der gesundheitlichen Ausrichtung und Prävention im Spitzenfußball lernen? Können Sie ein Beispiel geben?
Bei dieser Frage muss ich schmunzeln. Fußballprofis sind keine Götter, sondern junge, sportlich gut ausgebildete, leistungswillige Männer oder Frauen, die sich mit Gleichgesinnten messen und (hoffentlich – weil es im Kern im Spitzensport genau darum geht) auch gewinnen wollen. Dem Spitzensport innewohnend ist der Vergleich, auch an bestehende Leistungsgrenzen zu kommen, und die Besten auch über diese Grenzen zu führen. Auf dem höchsten Niveau darf man keinen Stillstand zulassen, die Top-Athleten wollen und müssen sich immer weiterentwickeln. Diesen Gedanken der ständigen Weiterentwicklung, aber nicht mit dem so hohen Anspruch der Weltspitze, halte ich generell für jeden Mensch für nützlich. Ein erfolgreiches, wirksames und erfülltes Arbeitsleben ist aus meiner Sicht mit diesem Gedanken des persönlichen Wachsens eng verknüpft.
Beim FC Bayern München spielt natürlich auch das Marketing eine wichtige Rolle. Und dafür müssen auch vor allem die wichtigsten und bekanntesten Spieler bereit sein, an Maßnahmen teilzunehmen. Aber diese Aufgaben müssen zeitlich mit den sportlichen Aspekten abgestimmt werden. Der Kern in einem professionellen Fußballunternehmen ist nun mal, die bestmöglichste Leistungsfähigkeit bei jedem einzelnen Spieler und in der Kooperation als Mannschaft auszubilden.
In meiner Zeit beim FC Bayern München kann ich mich an eine Diskussion mit Marketing-Mitarbeitenden erinnern: Das Mannschaftstraining ging dem Ende zu und ein Mitarbeiter sagte, dass der Spieler David Alaba nach dem Ende des Trainings für eine Werbekampagne gebraucht wird. Ich erklärte dem Mitarbeiter, dass dies nicht möglich ist. Er sah mich erstaunt an, und ich erklärte ihm den Trainingsablauf: Ein Spieler musste spätestens eine Stunde (was schon knapp ist!) vor Beginn des Mannschaftstrainings im Leistungszentrum sein. Ein leichtes Frühstück, eine physiotherapeutische Kontrolle der Muskulatur oder bei Bedarf Behandlung, bei Notwendigkeit auch Konsultation beim Mannschaftsarzt. Dann macht jeder Spieler ein individuelles Aufwärmen mit Kräftigungs- und Mobilisationsübungen. Und nun geht es auf den Trainingsplatz, wo zunächst ein gemeinsames Aufwärmen erfolgt und dann entsprechend der konditionellen, technisch-taktischen Schwerpunkten trainiert wird. Dieses Mannschaftstraining dauert etwa von einer bis zu zweieinhalb Stunden. Und nun sollte Alaba seinen Werbeauftritt erledigen!

Aber das Training war noch nicht beendet…
Der eine oder andere Spieler trainierte noch individuell oder in Kleingruppen zum Beispiel Standards: Freistöße oder Elfmeter wie Alaba, oder Flanken mit Abschüssen. Und alle Spieler machten nochmal individuelles Training mit Kräftigungs- und vor allem Dehnungsübungen. Jeder Spieler wurde auch nochmal physiotherapeutisch behandelt, bei Bedarf auch medizinisch. Zur Entspannung und Regeneration standen auch Sauna oder Kältekammer zur Verfügung. Auch das gemeinsame Essen sowie Gespräche zwischen den Spielern oder mit dem Trainer oder Spezialisten des Trainerstabs waren Teil der gemeinsamen Zeit im Trainings- oder Leistungszentrum.

Und nun könnte theoretisch der Werbeaufritt Alabas erfolgen…
Aber notwendiger wäre eine Pause mit Schlaf oder zumindest Ruhen und entspannen, um die Regeneration und Erholung optimal zu unterstützen und schnellstmögliche Wiederherstellung der körperlichen und mentalen Potenzialen aktiv zu unterstützen. Natürlich haben wir ein passendes Zeitfenster mit David Alaba gefunden. Er kam an einem späteren Trainingstag einfach eine Stunde früher. Und ich hoffe, dass die Leserschaft ein tieferes Verständnis für die notwendige komplexe Tätigkeit im Top-Fußball findet und vielleicht auch die eine oder andere Anregung für die Gestaltung der eigenen Arbeitswelt und vor allem der aktiven Freizeit finden kann.

Weiterführende Informationen:

Karsten Schumann: Vom Glück des Radelns: Gedanken zu einem tragenden Lebensgefühl. In: Zukunft Mikromobilität. Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen: Ein Rad-Geber. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber. Büchner Verlag, Marburg 2022.

Karsten Schumann: Spitzenfußball zu „erfühlen“ macht den Unterschied. In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.

Karsten Schumann: Top-Performer im Spitzensport erkennen am Beispiel FC Bayern München. In: Die Besten gewinnen. Moderne Personalgewinnung als Erfolgsfaktor für Top-Unternehmen. Hg. von Arne Prieß. Haufe Group 2019.